Meine High Heels kratzten über die Fliesen, als ich den dunklen Gang an den Kabinen entlang schritt, mit zurückgezogenen Schultern und einer Eleganz, für die manche einen zweiten Blick riskieren würden.
Das kleine Schwarze schmiegte sich an wie eine zweite Haut, der Rücken weit ausgeschnitten, jedoch nicht zu viel Dekolleté, um auch der Fantasie noch etwas Spielraum zu geben. Aus jedem der Räume, an denen ich vorbeilief, schallte mir andere Musik entgegen, als würde ich einen Laufsteg entlang stolzieren. Bei einer Tür blieb ich stehen. Es war still dahinter. Ich atmete nochmals tief durch, die Hand bereits auf der Klinke, und ließ den Kopf kreisen. Showtime.
Ein Flachbildschirm, an dem stumm Videos liefen, tauchte den Raum in gedimmtes Licht. LEDs erhellten abwechselnd die Fliesen, während ich eine Gestalt auf der Couch ausmachte, welche sich langsam aufrichtete. Sie knetete ihre Hände, während sie nervös auf ihrer Unterlippe kaute.
Manikürte Fingernägel und ein enges rotes Kleid ließen die Blondine atemberaubend erscheinen. Ihre Locken fielen weit über ihren Rücken und ihre Augen blickten mir aufgeregt entgegen. Ich setzte langsam einen Schritt vor den anderen, ließ meine Hüften schwingen, genau so, wie ich auch ihm diese Show geliefert hatte.
Ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus, als die Vorfreude über mich hinwegspülte, mich mitriss, denn hier war ich in meinem Element. In einer fließenden Bewegung ließ ich mich neben ihr sinken und strich ihr eine der Locken aus dem Gesicht. Meine Fingerspitzen fuhren nur sanft über ihre Wange, trotzdem nahm ich wahr, wie sie leicht erbebte. Ich legte den Kopf ein wenig schief und musterte sie mit einem abschätzenden Blick, wie ein Jäger seine Beute.
„Man könnte meinen, du hast es genau hier und jetzt vor“, flüsterte ich mit einer dunklen Stimme. Das ein oder andere Glas Whisky hatte sein übriges getan. Sie brachten mich in Stimmung, ließen jedoch sämtliche Sinne offen. Sie kaute nur weiter auf ihrer Unterlippe, solange sie auf meine starrte und jede meiner Bewegungen in sich aufsog. Sie wollte lernen. Und sie würde lernen. Ich griff nach meiner Clutch, die ich kurz zuvor auf die Couch neben mir legte. Meine Augen wanderten dabei durch den Raum. Mikrofone waren überall verteilt und auch aus den umliegenden vier Wänden konnte ich Musikfetzen wahrnehmen. Einen Beat nach dem anderen, während ich Menschen kreischen und lachen hörte. Ich ging zum Display und schaltete geeignete Musik ein. Vielleicht würde sie das etwas entspannen.
Lilly. Ich ließ den Namen in meinen Gedanken nachklingen. Dann widmete ich wieder alle meine Sinne nur ihr und kramte dabei langsam in meiner Clutch nach der kleinen Tablettendose. Mein Freund und Helfer. Mein Komplize.
Meine Hand legte sich auf ihren Oberschenkel und strich langsam an ihrer Seite entlang, bevor sie auf ihrer Wange liegen blieb. Die andere hielt ich ihr vors Gesicht, die kleine Kapsel zwischen meinen Fingerspitzen.
„Entspann dich, passe dich meinen Bewegungen an. Denk nicht nach“, hauchte ich ihr ins Ohr. Meine Nasenspitze strich ihre Halsbeuge entlang und ich konnte sein Parfüm an ihr riechen. Genüsslich schloss ich meine Augen, während ich mir vorstellte, dass seine Hände über meinen Körper wandern würden.
Mein Instinkt übernahm die Kontrolle und ich setzte mich auf ihren Schoß. Meine Knie neben ihr abgestützt zwang ich sie, zu mir hochzusehen. In einer langsam provokanten Bewegung schob ich mir die Kapsel zwischen die Lippen. Dann trafen ihre vollen roten Lippen auf meine. Ich intensivierte den Kuss. Ließ die Kapsel in meinem Mund rollen, bevor ich sie ihr vor die Lippen drückte. Sie zögerte einen Moment. Nur kurz, bevor sich unsere Zungen berührten. Ich schloss die Augen und ließ meine Finger über ihren Körper gleiten. Entlockte ihr ein Seufzen und sie wurde zu Wachs in meinen Händen. Ich ließ mich von der Musik treiben, bis wir beide außer Atem waren.
„War das jetzt so schwer?“, fragte ich sie, bevor ich von ihr runterstieg. „Wenn du im Flow bist, denkst du gar nicht darüber nach, wo du dich befindest.“ Ich setzte ein aufmunterndes Lächeln auf.
„Er wird es lieben.“ Sie strich sich abwesend über die Lippen, bevor sich ihre Augen in meine bohrten.
„Und diese Pille …“
„Wirst du kaum merken“, beschwichtigte ich sie, zog vorsichtshalber noch eine aus dem Etui und steckte sie mir in den Mund. Sie schien sich wieder etwas zu entspannen und wirkte nicht mehr ganz so verunsichert. Ich ging nun wieder auf sie zu und legte ihr meine Hand auf die Schulter. Meine Lippen strichen sanft über ihr Ohr. „Mach mich Stolz“, raunte ich und schritt ohne eines weiteren Blickes aus dem Raum. Mit einem Lächeln auf den Lippen und dem befriedigenden Gedanken, dass sie ihre Hand fest um die letzte Kapsel geschlossen hatte, verließ ich die Karaokebar.
Ich ließ mich entspannt in den Autositz fallen und kramte das Tablet vom Rücksitz hervor. Starrte einige Zeit auf den Bildschirm, der mir den Raum zeigte, wo er schon zu warten schien. Ein dunkler Schemen, der in der letzten Ecke zu erkennen war. Es würde nicht mehr lange dauern und die Show würde beginnen.
Ich konnte den Lichtkegel ausmachen, der bei der sich öffnenden Tür entstand. Lilly betrat den Raum und ich registrierte, wie er sich aufrichtete. Wachsam wurde.
Von ihrer anfänglichen Schüchternheit war nichts mehr zu erkennen, als sie mit großen Schritten auf ihren Mann zuschritt. Als sie über ihn herfiel, konnte ich es förmlich fühlen. Seine Lippen auf meinen. Ein letztes Mal. Sein kehliges Stöhnen und mein Seufzen im Einklang.
Seine Hände auf meinem Körper und die Hitze auf meiner Haut. Ich beobachtete, wie ihre Hand in ihre Tasche glitt, während sie die andere zwischen seine Beine schob. Ich hielt das Tablet näher und betrachtete konzentriert, wie sie die Tablette zwischen ihre Lippen klemmte. Ich konnte sehen, wie er fragend die Augenbrauen hob, doch sie schüttelte nur den Kopf und lächelte. Das hier war sein Traum, er würde keine Fragen stellen. Er würde es mit sich geschehen lassen. Was er brauchte, war ein bisschen Initiative und ein wenig Dominanz, gepaart mit dem Hang zum Risiko. Ich war fast schon ein wenig stolz, wie sehr ihre Bewegungen den meinen glichen. Sie war kaum wiederzuerkennen. Ihre Lippen trafen abermals aneinander und ich lächelte boshaft. Ich schmiss das Tablet auf den Beifahrersitz und startete den Motor. Jeder Spaß kam zu einem Ende.
Oder spätestens in wenigen Minuten, wenn das Gift zu wirken begann. Sich schneller ausbreitete, durch den steigenden Puls und dem immer schneller werdenden Rhythmus der beiden. Ohne es zu wissen, hatten sie sich gegenseitig ins Verderben gestürzt. Beide angestachelt von dem Gedanken, vom anderen betrogen worden zu sein. Es war ein leichtes gewesen, das zu durchschauen. Zu lesen. Zuzuhören. Auf den richtigen Moment zu warten. Es war wie ein Rätsel, was es zu lösen galt. Wie jeder andere Auftrag auch.
Ich fing an zu lächeln, während meine blutrot lackierten Finger zum Beat auf das Lenkrad trommelten.
Diese Manipulation.
Dieser Nervenkitzel.
Besser als Sex.
Als ich am nächsten Hotel hielt, steckte ich dem Pagen den Schlüssel zu. Meine Füße trugen mich zur Bar. Die Clutch in meiner Hand, die andere legere auf die Hüfte gelegt, betrachtete ich die Menschen um mich herum.
Ein Mann an der Theke, der träge und abwesend in seinem Martiniglas rührte, sprang mir sofort ins Auge.
Meine Finger strichen sanft über seine Schulter, während er ertappt zu mir hoch starrte.
Auf welcher Seite wird er stehen?
Wird er gewinnen oder verlieren?
Wird er mein Auftraggeber oder mein Opfer sein?
Meine Lippen strichen über sein Ohr, als ich mich zu ihm herabbeugte.
„Lass mich dich lesen.“
NARYA
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