Mit dem Träumen anzufangen ist wie das Betreten einer Bühne.
Es ist wie das reinste Improvisationstheater.
Du kennst weder die Handlung noch den Text, wenn du dich jedoch fügst, geht alles wie von selbst.
Du denkst nicht mehr länger und bist Zuschauer deines Selbst. Im Publikum sitzend, in deinem Kopf, lässt du dem Ganzen seinen Lauf.
Dein Körper weiß, was er tut und mit der Zeit passen Szenen, Gefühle und Schauspieler plötzlich zueinander.
Du kennst das Skript, als hättest du es selbst geschrieben.
Über die Bühne gehend, erhobenen Hauptes, als wäre es nie anders gewesen.
Irgendwann jedoch weißt du, dass sich das Stück seinem Ende neigt.
Plötzlich spürst du den Boden unter deinen Füßen überdeutlich, du beginnst dich wieder selbst wahrzunehmen und zu erinnern.
Der Traum endet langsam und du versuchst die hervorgerufenen Gefühle festzuhalten, wie einen rettenden Anker.
Selbst davon überrascht, wozu du fähig bist, wenn du eine Rolle spielst. Oder bist das wirklich du?
Du verneigst dich vor dem Ich, was du sein könntest, was jedoch nie die Realität erreicht.
Es winkt dir immer nur aus dem Spiegel zu.
Ich oder du.
Neidisch auf das Ich deiner Träume.
Und mit einem Blinzeln ist alles vorbei.
Mit trägem Blick registrierte ich das besorgte Gesicht von Doktor Zarey. Ich musste mehrmals Blinzeln, um ein scharfes Bild zu bekommen. Das Licht war blendend wie in einem Krankenhaus, generell hatte der Raum etwas Steriles an sich.
Das Klatschen des Publikums klingelte mir immer noch in den Ohren. Ein wolliger Schauer durchfuhr mich.
„Sind Sie wieder da?“
Ich nickte nur stumm, während meine Augen durch den Raum streiften. Alles war perfekt zueinander ausgerichtet, nie gab es etwas Neues zu entdecken. Selbst die Pflanzen auf dem Fenstersims schienen den gleichen Abstand zu haben. Alles war gleich. Kein Wunder, dass man dieser Monotonie entfliehen wollte, wenn man das Chaos persönlich war. Flucht in die Träumerei.
Es war nichts Neues, dass ich während der Sitzung mit den Gedanken völlig abschweifte.
Nein. Bei der Suche auf eine Antwort seiner Frage.
Wie war die Frage noch gleich?
Ich faltete die Hände in meinem Schoß und schaute ihn direkt an.
Seine hochgezogene Augenbraue sagte alles.
„Wie bitte?“
Dr. Zarey seufzte nur und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
„Ich fürchte, meine Frage war nicht präzise genug.“
Ich versuchte, seinem Blick standzuhalten, wich ihm jedoch nach kurzer Zeit wieder aus.
Es war mir unangnehm. Er räusperte sich.
„Sie weichen mir abermals aus, Frau Severin. Für alles finden sie eine indirekte Antwort. Eine Ausweichmöglichkeit. Ich frage Sie nun noch einmal.“
Ausweichen. Ein Wort, das sowohl passte, jedoch auch komplett an dem vorbeiging, was ich wirklich fühlte.
„Seien wir doch ehrlich. Wir alle sind ständig auf der Suche nach etwas, das wir verbessern können. Innerlich und äußerlich. Scheitern wir, haben wir etwas, wovon wir Träumen können“, murmelte ich mehr zu mir selbst.
Eine kurze Pause entstand, in der die tickende Uhr bedrohlich in den Vordergrund rückte.
„Wer sind Sie?“
Er legte die Fingerspitzen aneinander und durchbohrte mich mit seinem Blick.
Eine Frage, so simpel und verwirrend zugleich.
Ich konnte sagen, wie ich nicht sein wollte oder wie ich gerne wäre.
Aber wer ich bin? Vor meinem inneren Auge erschien wieder das Spiegelbild.
Gab es nur uns beide oder waren da noch mehr. Ich oder du. Oder war es doch ein Wir.
Ich zögerte kurz. „Ich bin ich.“
Dr. Zarey lächelte milde.
„Das ist doch schon mal ein Anfang. Damit können wir arbeiten. Nächste Sitzung zur selben Uhrzeit nächste Woche.“
Ich nickte nur mechanisch und erhob mich aus dem eckigen Ledersessel.
Der Anfang wovon?
Als ich hinaus in den Flur trat, lichtete sich der Vorhang erneut.
Die nächste Szene nahm ihren Lauf.
NARYA
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